In den letzten Jahr(zehnten) hat das Klettern und Wandern unaufhaltsam an Beliebtheit gewonnen. Was früher erfahrenen Alpinist*innen vorbehalten war, ist mittlerweile eine allseits beliebte Freizeitbeschäftigung und Familiensport. Was viele nicht wissen: Felsen sind auch Lebensraum von vielen Tieren und Pflanzen, die oft unter den Aktivitäten der Menschen leiden.
Wie schlimm ist die Störung?
Einige Vogelarten legen ihre Nester oder Horste in Felswänden an. Diese Strategie bietet Vorteile: die meisten Nesträuber wie Fuchs oder Marder können so die Eier oder Jungvögel nicht erreichen. Felsbänder bieten einen stabilen Untergrund für größere Arten wie Uhu, Wanderfalke, Kolkrabe oder Steinadler. Felsspalten können kleineren Arten wie Alpensegler oder Mauerläufer Witterungsschutz bieten.
Doch leider haben alle Felsbrüter eines gemeinsam: Sie sind sehr störungsanfällig am Brutplatz.
Schon eine Annäherung auf 50-100 m kann ausreichen, um einen Wanderfalken oder Uhu zum Verlassen des Nests zu bringen, bei Kolkraben liegt die Fluchtdistanz noch darüber. Wenn dies unter großem Stress geschieht, können dabei auch Eier zerstört werden oder Jungvögel aus dem Nest fallen. Aber auch eine längere Abwesenheit der Altvögel kann bebrütete Eier zum Absterben oder kleine Jungvögel zum gefährlichen Auskühlen bringen.
Leider kommt es in einigen Gebieten immer öfter zu solchen Störungen. Besonders an gut erreichbaren, talnahen Felswänden herrscht manchmal regelrechter Trubel. Dabei hat nicht nur das Klettern selber Auswirkungen, sondern auch die Anwesenheit der sichernden Personen am Wandfuß oder Wanderer in der Nähe von Felswänden – hier können auch wieder andere Arten wie die Zippammer, ein Bewohner von Felssteppen, unter der Störung leiden.
Dichte und Dauer entscheidend
Das Ausmaß der Konflikte mit Felsbrütern hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen können sich Tiere an vorhersagbare Störungen in einem gewissen Ausmaß gewöhnen. So kann die Fluchtdistanz bei einem Klettersteig geringer sein als bei überraschend auftauchenden Freikletterern. Auch die Dichte und Dauer und Häufigkeit der Kletteraktivität hat einen Einfluss: ein einzelner Kletterer, der sich nach einer halben Stunde wieder entfernt, wirkt weniger stark als ein Klettergarten, bei dem den ganzen Tag über Aktivität besteht. In solchen Fällen ist wahrscheinlich, dass der Brutfelsen ganz aufgegeben wird.
Zum anderen ist auch die Jahreszeit ausschlaggebend. Natürlich sind Störungen zur Brutzeit besonders folgenschwer. Je nach Art beginnt diese bereits im Februar mit der Balz und dem Nestbau, und reicht bis in den Juli oder August, wenn die Jungvögel das Nest verlassen. Es macht daher Sinn, in diesem Zeitraum besondere Rücksicht auf Felsbrüter zu nehmen, und bestimmte Wände oder Wandabschnitte zu meiden.
Lösungsansätze
In Deutschland und der Schweiz gibt es bereits seit längerem
eine Zusammenarbeit von Vogelschutzverbänden und den Alpenvereinen. Unter anderem wurden dort Lenkungskonzepte ausgearbeitet, und diese Informationen der Kletterszene zur Verfügung gestellt.
Auch in Österreich gibt es lokal bereits ähnliche Ansätze wie z.B. am Traunstein in Oberösterreich oder in der Wachau, die in den nächsten Jahren erweitert werden sollen.
Infobox
Österreich als Alpenland hat eine besondere Verantwortung gegenüber vielen in Felsen brütenden Vogelarten. Zu diesen zählen neben den besonders schutzbedürftigen Fokusarten wie dem Wanderfalken, Uhu und Schwarzstorch auch Steinadler, Kolkrabe, Mauerläufer, Gänsesäger, Alpensegler, Felsenschwalbe, Zippammer und Turmfalke. Viele davon haben in Österreich nur einen sehr kleinen Bestand (Schwarzstorch: 300 Brutpaare, Alpensegler: 160 Brutpaare, Felsenschwalbe: 1.900 Brutpaare).
Wenn beim Klettern ein Horst beobachtet wird, wo brütende Altvögel oder bereits Jungvögel sitzen oder auch ein Gelege gefunden wird, sollte man diesen Bereich großräumig umklettern! Zudem bitten wir, sich auf bereits stärker bekletterte Gebiete zu konzentrieren und neue Gebiete möglicht nicht zu erschließen.
Fotos © H. Assil und O. Samwald